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Grosser Monatsrückblick

Achtung längerer Text. In der Zwischenzeit ist wieder viel passiert im Land der heissen Nächte und manchmal gab es sogar Besuch von mehrbeinigen Kreaturen aller Art.

In der zweiten Juniwoche wurden alle Teile von Baum und Mast entfernt, damit wir diese partiell neu streichen konnten. Den Baum haben wir komplett geschliffen und neu angemalt. Am Mast haben wir darauf verzichtet und nur den Streifen unter der Segelschiene neu gemacht. Dort hatte es die meiste Korrosion um die alten Bohrlöcher herum. Beim Dodger-Projekt habe ich begonnen das Fiberglas mit Epoxy aufzutragen. Ein weiterer Meilenstein war die Ankunft des Segels. Endlich kam das neue Grosssegel von Rolly Tasker aus Thailand an. Es fühlt sich richtig stabil und fest an. Soweit wir sehen können ist es komplett weiss und hat auf der Steuerbordseite einen dünnen grünen Streifen und auf der Backbordseite einen dünnen roten Streifen. Wir freuen uns darauf, wenn wir es das erste Mal hissen können. Es fehlte nur noch die Hardware für die Montage.

Kurze Episode aus dem Leben der SeglerInnen

Eines Tages kam unsere Nachbarin Courtney angerannt mit dem Handy in der Hand. Ob das hier auf Facebook nicht das Schiff von Harry sei und sie zeigte uns Fotos eines Schiffes, welches bei La Paz auf einer Sandbank aufgelaufen war. Jemand hat das Schiff fotografiert und den Besitzer gesucht, da es herrenlos erschien. Harry war einen Monat lang unser Nachbar und hat uns bei seiner Abreise glücklicherweise seine Telefonnummer hinterlassen. Kurzerhand rief Iñaki ihn an, um zu fragen, was los ist. Harry war sehr erfreut über den Anruf von Iñaki, denn es war sein Geburtstag und er war zum Feiern nach Los Cabos gefahren. Er traute seinen Ohren kaum, als ihm die traurige Nachricht mitgeteilt wurde, dass sein Schiff vor Anker auf eine Sandbank aufgelaufen war. Sein Tag hätte doch so schön begonnen und er hätte dort schon eine Woche lang geankert, nichts ist passiert und der Anker hätte gut gehalten. Harry machte sich gleich mit dem Bus auf den zweistündigen Weg zurück zum Schiff und konnte bei Flut um 11 Uhr abends wieder mit dem Schiff davonfahren. Es habe keine grösseren Schäden gegeben, liess er uns noch in einem Dankesmail mitteilen. Sein Anker wurde von der starken Strömung, welche oft im Kanal vor La Paz (Baja California Sur) herrscht, mitgezogen.

Das kann passieren, wenn man sein Schiff am falschen Ort alleine lässt.

Kreaturen im Anmarsch

Weniger Glück hatten wir in Bezug auf die Gesundheit in dieser Woche. Die sogenannte «Taco Grippe» hat sich bei beiden gleichzeitig gemeldet und wir litten fortan an Magendarmproblemen. Als sie nach 14 Tagen Porridge essen und Elektrolytwasser trinken immer noch nicht vorbei waren, half uns nur noch der Besuch beim Arzt. Für 45 Pesos pro Person (2 Franken) waren wir zum ersten Mal bei einem mexikanischen Doktor. Wir setzten uns mit gesunder Distanz in die Reihe und als wir dran waren, verschrieb er uns eine Anti-Parasitenkur und Antibiotika. Die volle Dröhnung. Nach zwei Tagen zeigte sich schon die erste Besserung und endlich konnten wir wieder Energie gewinnen. Wir wissen nicht, was es war und woher es kam. Weil wir nicht auswärts gegessen haben müssen wir die Bazillengetiere irgendwo hier aufgeschnappt haben. Es kann das Wasser gewesen sein oder ungenügend gereinigtes rohes Gemüse wie Tomaten – wir wissen es schlichtweg nicht.

Retter in der Not, tötet Parasiten mit nur einer Tablette.

Chainplates aka. Püttings

In der dritten Juni Woche (bevor wir die Tablettenkur erhielten) litten wir immer noch unter den Magendarmbeschwerden und waren schlapp, deshalb hatten wir arbeitsmässig nicht so viel erreicht wie wir uns vorgenommen hatten. Dennoch konnten wir alle Püttings (am Rumpf verschraubte Metallplatten, die als Haltepunkte für das Rigg dienen) demontieren. Dafür waren einige Verrenkungen, Flexeinsätze und Geduld nötig. Zu Beginn fürchteten wir uns davor die Püttings rauszunehmen, da auf den ersten Blick nicht alle Stellen gut zu erreichen waren. Aus den geplanten vier Tagen wurden dann doch nur zwei Tage und wir mussten den Kühlschrank nicht demontieren. Einzig an zwei Stellen mussten wir in die Küchenabdeckung aus Corian (Mineralplastik) mit dem Diamant-Dremelaufsatz zwei Löcher schneiden, damit wir die langen Schrauben entfernen konnten. Die aufgeschnittenen Stellen können wir später mit Silikon wieder wasserdicht verschliessen. Die Inspektion der insgesamt acht Püttings (Bug, Heck plus jeweils drei Steuerbord und drei Backbord) hatte gezeigt, dass sie ersetzt werden sollten. An gewissen Stellen zeigte sich Lochkorrosion und an zwei Stück hatte es schon diese spinnennetzartigen Haarrisse. Es ist Zeit, um alle mit amerikanischem 10mm dicken 316 Inox Stahl zu ersetzen.

Iñaki sucht das Zen für die Verrenkungen mit der Flex. Er befindet sich im etwa sarggrossen Stauraum unter dem Sofa.

Beim Fensterprojekt sind wir auch einen Schritt weitergekommen. Wir konnten die 12mm Tempered-Glas Scheiben beim Hersteller in Guaymas abholen. Anschliessend brachten wir die Scheiben zum Folierer, damit dieser die klare UV-Folie auftragen konnte. Leider waren die Rahmen immer noch nicht fertig. Sie werden in mexikanischer Geschwindigkeit behandelt. Die Fensterlöcher im Salon mussten wir in Zwischenzeit mit einer grossen Plache abdecken, da sich langsam die ersten Regengüsse der Sommersaison ankündigten.

Noch mehr Kreaturen

Beim Öffnen der Bodenluke zum Kühlschrank (dieser befindet sich momentan in der «Zwischenbilge» neben den Wassertanks) befand ich mich plötzlich im Angesicht einer Kakerlake! Kreisch – oh Schreck! Mein Versuch den Eindringling zu erschlagen scheiterte kläglich. Nun ist es soweit, sagten wir uns genervt. Man hört immer von solchen Horrorgeschichten wie Kakerlakenbefall oder Termiten an Bord und wie schwierig es ist, diese wieder loszubekommen. Google-Meister-Shopping-Queen Iñaki machte sich gleich daran die beste Bekämpfungsmethode ausfindig zu machen. Eine Woche später hatten wir dann fünf Tuben Advion von Syngenta in den Händen und waren bereit die Eindringlinge zu bekämpfen. Gemäss Beschreibung würden die Käfer das Gift fressen und es sogar in ihre Nester bringen, wo dann alle davon fressen und sterben. In der Zwischenzeit sprayten wir «Pestcontrol» von unserer Nachbarin in die Bilge. Wie sich aber herausstellte, war dieser eine Gast entweder unfruchtbar, traumatisiert vom Schlag auf den Kopf oder einfach verhungert/verdurstet an Bord. Sie war nach drei Tagen Sichtung nie mehr gesehen. Wir sagen: Glück gehabt! Solche Käfer holt man sich oft mit den Schuhen oder Kartons an Bord. Deshalb gilt theoretisch Strassenschuh- und Kartonschachtelverbot, welches hier natürlich nicht eigenhalten wird. So viel Zeugs bewahren wir in den Versandkartons auf und der Leiteraufstieg an Deck ist ohne Schuhe auch eher schwierig und barfuss sehr heiss . Auf jeden Fall sind wir jetzt gewappnet für die nächsten möglichen Eindringlinge. Aber nicht gegen alle. Hehe. Die Ameisen sind mittlerweile unsere Mitbewohner geworden. Rund ums Schiff hat es etwa 30 Ameisennester. Mit der steigenden Hitze ist der Mückenbestand zurück aber ihre Bodenfreunde haben sich, zur Freude der Eidechsen, wie wild ausgebreitet. Sie laufen entlang der Stromkabel, der Leiter oder der Bordwand entlang aufs Schiff hinauf. Gerne mögen sie auch den Waschbeckenabfluss als Eingang. Sie kommen und gehen und nehmen ihre eigenen Wege. Manchmal sind es mehr, manchmal sind es weniger. Natürlich haben wir es auch mit der «Pestcontrol» Spritze ums Schiff herum versucht, aber wenn ein Nest zerstört wird, gibt es einfach nebenan ein Neues. Leider sind sie am Boden ziemlich aggressiv. Das heisst, wenn man irgendwo etwas arbeiten möchte, muss man schauen, dass sich dort kein Nest befindet und werfe niemals einen Krümel Essen auf den Boden. Dann kommen sie zu tausenden und kümmern sich darum.

Rudergeschichten – Prolog

Dank der verschriebenen Parasitenkur konnten wir langsam wieder mit schwererer körperlicher Arbeit beginnen und das heisst: Ruder demontieren. Tönt einfach, ist es aber nicht. Weil unser Schiff einen relativ niedrigen Tiefgang hat, steht es nicht sehr hoch auf den Stützen. Damit das ganze Ruder inklusive Ruderschaft (ca. 120 cm lang) herausgenommen werden kann, muss entweder: a) Das Schiff mit dem grossen Lastenkran angehoben werden oder b) ein tiefes Loch darunter gegraben werden. Der Entschluss war für uns klar. Variante b) wird es sein. Denn, das Schiff ist neu gestrichen und für diese 15 Minuten Kranaktion zahlt man 100 Dollar. Das Problem dabei war nur, es ist theoretisch verboten auf dem Boatyard Löcher zu graben. Löcher führen dazu, dass wenn später Schiffstützen daraufgestellt werden und es beispielsweise zu regnen beginnt, diese absinken könnten. Nach diskreter Absprache mit Alejandro dem Vorarbeiter, drückte dieser ein Auge zu. Das Loch würde sich nämlich so nah an der Wand befinden, dass dort mit grosser Wahrscheinlichkeit nie eine Stütze stehen wird. Der erste halbe Meter war dann auch relativ einfach freizuschaufeln, bis sich die ersten grösseren Steine zeigten. Man muss dazu anfügen, dass wir weder eine geeignete Schaufel noch eine gute Hacke hatten. Iñaki bastelte aus den herumliegenden Materialen und einem Metallrohr das Werkzeug und schaufelte die Steine von Hand und auf dem Bauch liegend aus dem Loch hinaus. Mit genügend Wasser lösten sich schlussendlich auch die grösseren Steine über Nacht. Wir hatten bereits einen grossen Schlaghammer organisiert, den wir aber glücklicherweise am Ende nicht brauchten. Der Aushub wurde schön vor neugiergen Blicken unter einer Plache verstaut und das Loch mit einem grossen Brett abgedeckt. Nach zwei Tagen war das Loch tief genug, dass wir das Ruder herunterlassen konnten. Nur mit der Hilfe von zwei Seilen und einem anderen Nachbarn konnten wir das rund 40 Kilo schwere Ruder behutsam ins mühsehlig gegrabene Loch hinuntergleiten lassen. Es war Millimeterarbeit. Das geschaufelte Loch war haarscharf genügend breit und tief.

Mit dem Entfernen des Ruders konnten wir uns der Wellenanlage (Verbindung zwischen Motor und Propeller) widmen. Doch auch da wurden wir wieder vor Probleme gestellt, die sich erst nach zwei Tagen gelöst haben. Der Propeller ging ganz einfach ab, doch danach steckte irgendwie alles fest. Das Stevenrohr und die Kupplung zwischen Getriebe und Antriebswelle liessen sich einfach nicht lösen. Weil wir das Getriebe und die Welle nicht schädigen wollten, haben wir möglichst keine Gewalt anwenden wollen um die Welle zu entfernen. Das heisst, keinen Hammer und keine sonstigen Kraftaufwendungen die sich negativ auswirken konnten. Einsprayen mit Rostlöser/WD 40, kochendes Wasser, Gummihammer, Ruckeln und Ziehen alles nütze nicht. Am Ende musste Iñaki die Schrauben der Kupplung mit dem Seitenschneider wegflexen und mit einer selbstgebauten Presse die Welle mit einer eingeklemmten Nuss nach Hinten aus der Kupplung herausdrücken. Das Stevenrohr, welches mit Epoxy ins Wellenrohr geklebt wurde, konnten wir nur mit einem Stechbeutel herauslösen. Alright. Neue Kupplung und neues Stevenrohr (cutless bearing) sollen neu eingesetzt werden. Die Kupplung war schon sehr alt und es wird gesagt, dass sie nie mehr ganz exakt auf die Antriebswelle passen würde, wenn sich darin etwas Rost gebildet hätte und nach einer Reinigung/Entfernung eine minime Lücke entstehen könnte. Die Welle sollte eigentlich in einer perfekten Linien hinten aus dem Rumpf austreten. Wie sich aber herausstellte, passte die neue Kupplung nicht auf die Welle, weil sie länger ist. Wir müssten sie von einem Maschinist spezifisch anpassen lassen. Wir finden hier aber keinen. Deshalb wird die alte gereinigt, aussen geschliffen und neu gemalt. Immerhin haben wir nun eine Ersatzkupplung…

Kupplung zwischen Getriebe und Welle.

Leider war ich gesundheitlich immer noch nicht auf dem Damm, da ich mich zusätzlich eine Woche lang mit einer fiesen Halsentzündung herumschlagen musste. Gepaart mit dem Warten auf neues Material hat sich der Weiterbau des Dodgers (Cockpitdach) etwas verzögert. Wir konnten aber kleinere Dinge wie die kleinen Heckfenster in Angriff nehmen. Alle Dichtungen wurden ersetzt, neue Schrauben eingesetzt, Butylabdichtung gelegt, plus Spiegelfolie für die Fensterscheiben aufgeklebt, damit die UV-Strahlung geblockt wird. Jetzt haben wir wieder acht kleine, dichte Fensterchen.

Revision der kleinen Heckfenster aus Bronze.

Puzzlen

Mitte Juli kam dann endlich ein weiterer Teil der langersehnten Ware, die wir bestellt haben. Die Deckhardware und alle Teile für Mast und Baum sind angekommen. Ausserdem sind die dicken Plexiglasscheiben für die grossen Kabinenfenster gekommen. So konnten wir auch diese Scheiben neu einsetzen und Abdichten. Die hintere, grosse Kabine ist nun endlich wasserdicht! Yeah! Dafür brauchte es neue Acrylfensterscheiben, neue Gummidichtungen, Fiberverglasung der Backskisten in der Decke, sowie einer neuen Aussenduschinstallation. Der Wasserschlauchtest wurde mit Bravour bestanden, den Realitätscheck der Tropen oder eines Hurrikans fehlt noch. Was jetzt noch fehlt für den absoluten Komfort sind die Mückennetze direkt an den Fenstern. Dafür haben wir das Material bereits schon. Es wartet bei unserer Nähmaschine auf den Einsatz. Ich freue mich schon darauf die Persenning, die Cockpitkissen und alle sonstigen Abdeckungen zu nähen. Die Industrienähmaschine hat nur zwei Sticharten, gerade und zickzack, kann aber bis zu sechs Lagen Segelstoff nähen und mit Leder wird sie auch locker fertig. Wir sind für alles gewappnet, selbst die Segel können wir selber flicken.

Kulinarisch haben wir uns seit der Magendarmplage eher rückwärts bewegt. Die vielen scharfen Saucen sind von den Tellern verschwunden und wir holen auch kein Essen mehr auswärts. Das letzte Take-out Ceviche (roher Fisch und Meeresfrüchte in Limetten- und Tomatensaft) hatte leider nicht zum allgemeinen Wohlbefinden beigetragen. Weil ich etwa 4 Wochen nicht mehr in der Zivilisation war, habe mich selbstisoliert während den Leiden 😉, gabs vor allem vegetarisches und simples Essen. Dafür habe ich den Sauerteig und das Kombucha wieder etwas mehr gefüttert. Momentan bin ich daran ein Weizensauer Baguette backen zu können. Mit beschränkten Mitteln und Umständen versuche ich ein luftig leichtes Brot herzustellen. Die Herausforderungen sind der Ofen mit seiner manchmal eigenwilligen Temperaturregelung und -verteilung, unsere Propangasflasche die je nach Füllstand besser für anderes verwendet wird, das Standardmehl welches in den Läden verkauft wird und natürlich die hohe Tagesumgebungstemperatur von durchschnittlich über 30 Grad Celsius, welche jedes europäische Sauerteigrezept über den Haufen wirft. Ich sammle bereits jetzt schon viele Ideen wie man verproviantiert und wie man mit beschränkten oder einfachen Mitteln das Maximum an Geschmack rausholen kann.

Sauerteig-Baguette-Fieber.

Rudergeschichten – Sequel

Zurück zum Ruder und dem Ruderschaft im Schiff. Nach einer genaueren Inspektion des Ruders hatten wir bemerkt, dass es an der Oberseite Risse hat und dass die Polyesterschicht generell sehr dünn ist. Es scheint so, als hätte man bei Reparaturen und Unterhalt ständig Schichten abgetragen anstelle aufgebaut. Auch am Schaft hat es eine grössere Stelle mit Lochkorrosion. Wir wissen nicht wie es innen drin aussieht, weil es einen Epoxidschaumkern hat. Wir entschieden uns, dass das Ruder vorerst einfach neu verkleidet wird aber in naher Zukunft neu gebaut werden soll. Dafür werden wir ein neues «Skelett» aus Schaft und Rippen benötigen, die alte Form aufbauen und dann wieder mit Epoxidschaum füllen. Das Spiel im Fiberglas Ruderschaft, was nach beinahe 50 Jahren normal ist, hatten wir mit einer Graphit-Epoxid-Mischung eliminiert. Dafür haben wir das Ruder wieder in den Schaft eingeführt und durch Löcher an den Seiten die Graphitmischung eingespritzt. Diese ist dann in die Lücken geflossen und hat die 2mm tiefen Hohlräume ausgefüllt. Das Problem einen Tag später war nur, dass die Epoxidmischung auch nach oben geflossen ist und sich an Stellen am Ruderschaft festgesetzt hat, die wir nicht eingefettet haben. Tja… so verbrachten wir ohne Erfolg eine Stunde damit, das Ruder wieder frei zu «brechen». Kreativität war gefragt, denn mit Kraft konnten wir nichts anrichten, ausser das Ruderblatt abzubrechen. Eine Idee war, das Schiff wieder zu verkaufen. Aber ohne funktionierendes Ruder würde es gar niemand wollen. Deshalb wurde diese schnell wieder verworfen. 😉 Die zweite Idee war, dass wir oben in den hohlen Ruderschaft aus Metall kochendes Wasser einfüllen bis zu den Stellen wo die Graphitmischung war. Denn Epoxy wird bekanntlich weich bei hohen Temperaturen. Gesagt getan setzen wir alle Pfannen die wir hatten gefüllt mit Wasser auf den Herd und füllten diese anschliessend von oben in den Ruderschaft. Und tadaaa, das Ruder liess sich wieder bewegen und war «frei». In diesen zwei Stunden haben wir gut geschwitzt aber mit kreativen Lösungen «out of the box» und Persistenz unser Ziel am Schluss erreicht. Das Spiel vom Ruder ist eliminiert und es liegt satt im Schaft.

Lochkorrosion und Riss an der Oberseite des mit Epoxidschaum gefüllten Ruders.

Materialkunde – Dyneema

Während wir Anfang Juli wieder auf eine Materiallieferung aus den USA warteten, hat sich Iñaki unter anderem mit der Kunst des Spleissens auseinandergesetzt. Mit dem Spleissen von Leinen können auf simple und günstige Weise Teile der Hardware am Schiff, wie zum Beispiel Schäkel oder sogar das ganze Rigg, ersetzt werden. Dafür nimmt man am besten eine gute Leine wie Dyneema (ist eine berühmte holländische Marke, weitere sind Spectra, Amsteel, usw.). Dyneema Leinen bestehen aus synthetischen Fasern auf der Basis von Polyethylen mit ultrahoher Molekülmasse (Polyethylene-Ultra-High-Molecular-Weight = PE-UHMW). Diese Leinen werden seit den 80er produziert und sind ein sehr interessantes Produkt, da sie die Eigenschaften von Stahl komplett in den Schatten stellen. Sie Punkten in Bezug auf Oberflächenglätte, UV-Strahlen, Feuchtigkeit, Abrieb, Gewicht und Chemikalien im Vergleich und sind schlussendlich bis zu zwanzigmal zugstärker als Stahl! Kein Wunder werden diese auch bei Tiefseeinstallationen verwendet. Ende mit der Werbung und zurück zu Iñakis ersten Spleissversuchen. Da die breite Verwendung sich erst seit rund zehn Jahren im Internet zeigt, gibt es noch relativ wenig gesammeltes, respektive geordnetes Onlinewissen. Er versuchte sich an zwei Knoten, die in Zukunft alle Schäkel an Bord ersetzen sollen. Zusammen mit Low Friction Ringen aus beschichtetem Aluminium (leichte Ringe mit geringem Reibungswiederstand) kann man kreativ und elegant sich das Segelschiff organisieren. Patricia und David zum Beispiel, haben sich ein neues Steuerungskabel aus Dyneema machen lassen. Die Einsatzmöglichkeiten sind riesig.

Kreaturen mit vier Beinen

Die süsseste Überraschung hatten wir am Sonntag der zweiten Juliwoche. Plötzlich stand die beige Streunerhündin mit ihrem kleinen Welpen neben dem Schiff und wedelte freudig. Es war die Hündin, welche wir vor zwei Monaten vom Schiff verscheuchen mussten, weil sie und ihr Kumpane es gegen die Arbeiter verteidigt hatten. Wir staunten nicht schlecht als wir unter dem Nachbarschiff zwei weitere kleine Vierbeiner mit dem Co-Vater entdeckten. Sie hatte drei Welpen bisher durchgebracht. Seit diesem Sonntag wohnen nun die drei Welpen, welche etwa 6-7 Wochen alt sind, unter unserem Schiff im kühlen Schatten. Die Mutter geht währenddessen immer wieder auf Futtersuche. Wir füttern die Erwachsenen Hunde nicht, nur die Jungen, wenn die Älteren weg sind. Es gibt immer frisches Wasser und eine Flohkur für diejenigen, die wir anfassen können. Streuner sind hier leider nicht gerne gesehen, da es wieder Probleme mit den Arbeitern und Nachtwächtern geben könnte. Ausserdem sind die Welpen auch noch etwas zu jung, um sie in ein gutes Tierheim zu geben. Wir warten einmal ab wie sich die Situation entwickelt und was die Arbeiter hier sagen werden.

Worte zum Schluss

Im Moment befinden wir uns in einer äusserst produktiven Phase. Es macht Spass alle Teile wieder zusammenzubauen. Endlich wird nicht mehr nur auseinandergenommen, sondern man sieht wie das grosse Ganze wieder Eins wird. Auch wenn das Leben hier karg, staubig und heiss ist, erfüllt uns die Arbeit am Schiff. Wir kennen jede Ecke vom Schiff und wissen genau, wo welche Leitung durchgeht, welche Grösse die Schrauben haben und wie verlässlich wo repariert und unterhalten wurde. Von morgens um 6 Uhr bis abends um 19 Uhr kümmern wir uns um das Schiff und fallen um 21 Uhr todmüde ins Bett. Nur das konstante vibrierende Geräusch der Ventilatoren und der warme Wind in den Ohren erinnert uns noch daran wo wir sind.

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